Über all die neuen Ernährungstrends wie Lebensmittel ‚mit ohne‘ (Laktose-, oder Glutenfrei etc.) kann man als Nichtbetroffener denken, wie man lustig ist (so wie ich, glücklicherweise), aber Veganer nehmen in dieser Reihe eine Sonderstellung ein, weil diese Ernährungsweise leider oft mit Deutungsanspruch über Gut und Böse daherkommt. Und oft genug aggressiv und ideologisch aufgeladen. Als massentierhaltender Imker bietet man Projektionsfläche und Reibungspunkte, unfreiwilliger Weise. Ein Versuch der Einordnung:
Imker sind also grausam zu Bienen, da sie Massentierhaltung betreiben, nur auf Profit aus sind, den armen Tieren ihren mühsam gesammelten Honig stehlen und sie dabei noch mit Rauch quälen! Imker hindern Bienen am Schwärmen, und den gestohlenen Honig ersetzten sie zu allem Überfluß durch fiesen Industriezucker! Gemein!
Auf der anderen Seite:
Eine intakte Umwelt, glückliche Bienen, die tun und lassen können, was sie möchten. Honig sammeln nur für sich. Schwärmen, wann und wohin ihr kleines Herz begehrt. Kurzum: pures Glück!
Ist doch ganz einfach, oder? Mir als Imker sind gesunde Bienen das Wichtigste. Sind die Bienen gesund und schwarmträge, gibt es Honig, so einfach ist das. Da ich viel mit den Bienen arbeite und das oftmals in und um Wohngebiete, liegen mir sanftmütige Bienen besonders am Herzen. Für Bienen wie zu Großvaters Zeiten ist in unserer oftmals dichtbesiedelten Landschaft heute kein Platz mehr. Obwohl die Honigbiene in weiten Teilen ein Wildtier geblieben ist, ist sie heute doch in vielen Belangen auf die Obhut des Menschen angewiesen. Das größte Verständnisproblem für meine veganen Kritiker ist die Diskrepanz zwischen der realen Umwelt und dem Kampfbegriff der ‚Natur‘, wobei letztere per se ‚gut‘ ist. Oft sind die vehementesten Kritiker Stadtmenschen, deren Naturverständnis auf alten Kinderfilmen wie Heidi etc. fußt, also Almwiesen, Blumen, blauer Himmel. Monokulturen aus Raps, Mais und Weizen kommen da eben sowenig vor wie Varroamilben oder amerikanische Faulbrut.
„Irgendwo muß man ja anfangen!“, heißt es dann trotzig. Das stimmt, aber das Gegenteil von Gut bleibt gut gemeint.
Richtig ist:
Ich ernte als Imker Honig, Wachs und Propolis, dafür sorge ich mit meinen vollen Einsatz für das Wohl der Bienen, schütze sie vor Gefahren und Missständen. So lautet seit jeher der Vertrag zwischen Mensch und Biene.
Nicht umsonst entstammt der Begriff „Kultur“ dem lateinischen Wort „colere“ und bedeutet soviel wie bebauen, bestellen, pflegen.
In unserer heutigen Kulturlandschaft ist kein Platz mehr für wilde Honigbienen. Jedes Jahr entfliegen tausende Schwärme der Obhut ihrer Imker, trotzdem schaffen sie es nicht, sich dauerhaft anzusiedeln. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Es gibt in Deutschland kaum mehr eine Ecke mit durchgängigem Trachtfließband. Auf ein Frühjahr im Überfluß folgen in den meisten Gegenden ab Juni wogende Getreidefelder, erntereifer Raps und Zuckerrübenfelder bar jeder Blüte, Ackerränder werden mit Herbiziden gegen Zweikeimblättrige ‚Unkräuter‘ gleich mitgespritzt. Grüne Landschaften, für Stadtmenschen der Inbegriff von Natur, für die auf Nektar angewiesenen Insekten eine grüne Wüste. Sogar Kuhwiesen werden regelmäßig gedüngt und gespritzt, damit sich dort ja keine seltenen Pflanzen ansiedeln und das Land evtl. unter Naturschutz gestellt werden würde! Unserer Agrarpolitik ist schlicht eine Katastrophe.
Fieser Industriezucker: Die Bienen sammeln was sie finden, Rapsblüten mögen sie bspw. besonders gerne. Gemischt mit anderen Honigen ist Raps eine großartige Trachtpflanze für Bienen. Nur nicht in einer Monokultur, der eingetragene Nektar wird eingelagert und dient im Winter als Vorrat. Leider neigt Rapshonig zum Kandieren, die Bienen würden schlicht auf vollen Waben verhungern. Ich habe hier an meinem Standort keine Möglichkeit, dem Raps zu entkommen, da ich den Honig zudem sehr schätze, hab ich aus der Not eine Tugend gemacht und wander extra zu besonderen Rapsfeldern, von denen ich weiß, das meine Lieblinge dort sicher sind vor Insektiziden, einer weiteren neuen Gefahr für Bienen. Diesen Honig ernte ich und füttere im Gegenzug im Spätsommer den für Bienen gut bekömmlichen Raffinadezucker. Raffinadezucker hat nämlich für die Bienen einen riesen Vorteil: Er enthält wirklich nichts als Energie! Keine Ballaststoffe, keine Eiweiße, nur Energie. Bienen können im Winter ja monatelang nicht auf die Toilette! Was beim kleinen Kevin für schlechte Zähne sorgt, uns dick macht und im Übermaß krank, fieser Industriezucker, ist für die Bienen im Winter zum Heizen ein Segen. Die Einführung der Zuckerfütterung zu Beginn der Industrialisierung war für die Bienenhaltung ein riesen Fortschritt, endlich waren die großen Überwinterungsverluste in den Griff zu bekommen! Im weiteren Frühjahr, sobald die Bienen ausfliegen können und beginnen mit der Aufzucht der neuen Brut, ist Honig die bessere Wahl. Der Imker sieht daher zu, den Bienen beim Abschleudern einen Honiganteil zu erhalten. „Industriezucker ist fies“, weil er bei Menschen im Übermaß zu Problemen führt, ist pauschalisiert (für Bienen) eine recht dumme Aussage. Auch Melizitosehonige (bei bestimmten Tautrachten) führen zu hohen Winterverlusten.
Industriezucker ist für die Bienen in unserer industrialisierten Landwirtschaft mit ihren riesigen Monokulturen oft die deutlich bessere Wahl als Honig. Das paßt natürlich vielen Menschen nicht ins Weltbild. Ist aber so.
Es fehlen Nistmöglichkeiten:
Hohle Bäume sind aus ästetischen und versicherungstechnischen Gründen rar, Gebäude werden im Zuge der energetischen Sanierung versiegelt und die Akzeptanz eines Bienenvolks in den Zwischendecken eines Altbaus hält sich meiner Erfahrung nach auch sehr im Rahmen. Ich kenne genau ein solches Haus (aber das mit zwei Völkern).
Wo sollen die wilden Bienen sicher wohnen?
Bei der Imkerei sterben Bienen:
Ja, das stimmt, leider. Der Imker sieht zudem nicht die einzelne Biene als Lebewesen, sondern das Bienenvolk als Superorganismus, den Bien! Trotzdem bin ich sehr bemüht, keine einzelne Biene aus Nachlässigkeit zu verletzen, aber es passiert. Ich tausche auch Königinnen aus, wenn ich mit ihren Eigenschaften nicht zufrieden bin, wenn sie bspw. kranke Bienen produziert (Kalkbrut) oder Bienen, die sehr aggressiv sind. Mit Rauch ‚quälen‘ tue ich Bienen nicht, ich benutze generell eher wenig. Rauch ist mehr ein Trick: Die Bienen saugen sich reflexartig mit Honig voll, und satte Bienen stechen nicht. Die Bienen sind mit viel ruhiger als ohne Rauch und man drückt und verletzt so deutlich weniger Bienen bei den nötigen Handgriffen. Wer meint, dass Rauch Bienen in Panik versetzt, möge mich besuchen kommen! Auch bei der Behandlung gegen die Varroamilbe sterben Bienen. Aber das Volk überlebt! Das ist das entscheidende Kriterium für mich. Eine Biene, die mich sticht und stirbt, für ihr Volk, treibt die gleiche Motivation!
Ohne Pflege des Biens durch den Imker überleben unsere Bienen nicht!
Bienenkrankheiten:
Die Varroamilbe ist ein, in evolutionsbiologischen Größenordnungen gedacht, ziemlich neuer Parasit für unsere westliche Honigbiene. Die aus Asien eingeschleppte Milbe vermehrt sich in der Brut und unbehandelte Völker brechen in der Regel nach zwei, spätestens drei Jahren zusammen. Die Bienen verlassen dann die sterbende Kolonie und betteln sich bei anderen Völkern in der Umgebung ein um dort Unterschlupf zu finden. Im Gepäck reist Huckepack die Milbe als tödliche Fracht. Allen Versuchen zum trotz läßt sich die Milbe rein ideologisch bislang nicht bekämpfen.
Die amerikanische Faulbrut ist eine bakterielle Erkrankung, die ein ständiges Augenmerk auf die Bienen erfordert. Wilde infizierte Völker können ganze Landstriche über längere Zeit mit Keimen versorgen, da der Honig der abgestorbenen Völker von anderen Bienen geräubert und somit die Keime verteilt werden.
Bienen einfach mal so schwärmen lassen ist diesbezüglich (so schön die Vorstellung ist!), keine gute Idee!
Fazit:
Die Natur ist auf Bienen angewiesen. Bienen sind in Deutschland dauerhaft auf Imker angewiesen. So wie es gute und schlechte Menschen gibt, gibt es gute und schlechte Imker. Viele Gründe, warum der Genuß von Honig immer mit Leid für Bienen erkauft würde, sind Unsinn. Manche stimmen zur Hälfte, andere sind wahr. Wie auch bei allen anderen Themen lohnt sich ein genauerer Blick, Honig aus dubiosen Quellen, aus industrieller Imkerei in fernen Ländern ist sowohl von Umweltaspekten als auch Karmapunkten anders zu bewerten als Honig vom Imker, der sich bemüht, mit der Grundlage seines Auskommens im Einklang zu leben. Honig und Agavendicksaft läßt sich zwar gleichermaßen rund um die Welt importieren, Bestäubung jedoch nicht. Wir brauchen Honigbienen hier! Und die Biene braucht Imker. Als Behüter, Anwalt und Fürsprecher der Biene. Honig ist unser Produkt!
Ich bin stolz, Imker zu sein und steh völlig hinter meinen Bienen und meinem Produkt!
Guten Honig zu essen ist gut für Umwelt, Körper und Seele!
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